Donnerstag, 5. November 2009, von staromat

Depressionen powered by Google

Der Umstand, dass Google-Inserate sich perfekt dem Inhalt der Seite anpassen, auf welcher sie aufgeschaltet werden, lässt sich als Blogger wunderbar dazu nutzen, endlich den wirklichen Inhalt des eigenen Geschwafels herauszufinden. Dies kann jedoch äusserst unangenehme Folgen für das eigene Selbstwertgefühl mit sich bringen.

Wer auf seiner Homepage Google-Anzeigen veröffentlichen möchte, kann dieses Vorhaben in wenigen Schritten umsetzen. Einzige Bedingung ist, dass man Google mit dem Anerkennen der 12seitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen seine Seele verkauft, danach geht’s los!

Um mit den Inseraten möglichst exakt die Bedürfnisse des Betrachters zu treffen, analysiert eine Google-Maschine den Inhalt jeder Seite und schaltet daraufhin entsprechende Anzeigen. Dass dadurch mitunter unfreiwillige Komik geschaffen wird (sogenannte Google-Oupsis), beweist ein kurzer Blick ins Logorö-Archiv.

Bei der Kolumne aus meinem Büroalltag (Vor dem Büro) wirbt eine Firma für Matratzenauflagen, welche Schutz bei Schweiss und Inkontinenz bieten würden. Ebenfalls empfindet es Google offenbar nötig, an dieser Stelle Hilfe bei Depressionen, Angst und Schizophrenie anzubieten.

Neben dem Text über die beiden Chicas im Dietikoner Regionalbus, welche offensichtlich nicht in Kenntnis einfachster Rechenregeln waren (Punkt vor Strich mein Gott!), werden Übungsblätter für Mathematik angepriesen.

Auf einfachste Art und Weise entschärft Google gar globale Krisenherde. Suchten wir im Februar dieses Jahres noch erfolglos nach Lösungen für den Nahostkonflikt, empfiehlt Google ganz einfach eine Kraftvolle Mediation („Es gibt immer einen Weg! Sparen Sie Zeit, Geld und Nerven.“). Wem dies zu anstrengend ist, der kann unmittelbar daneben Badeferien am Mittelmeer buchen.

Beim Artikel „Die Armee der alten Frauen“ inseriert ein Privat-Spitex-Unternehmen.

Auf den Text „Wenn Staatsanwälte fliegen lernen“, in welchem mein allererster Rausschmiss aus einem Restaurant geschildert wird, reagiert Google sensationell mit einer Anzeige für Brunch at Home sowie einem Lieferservice für Brasilianisches Essen.

Fazit: Dank der neu aufgeschalteten Google-Werbung bietet das Surfen auf der Logorö-Seite ab sofort noch mehr Unterhaltung.

Fatalerweise klickte ich jedoch bei der Recherche zu diesem Artikel übermotiviert auch auf das erste Kapitel meiner Autobiographie.

Schuppenflechten? Schnelle Abhilfe zugesichert.

PC-Kurs für Senioren. Auch Sie können es lernen.

Endlich kein Mundgeruch mehr. So können Sie ihn auf natürlichem Weg beseitigen.

In einem Monat bis zu 16 Kilo abnehmen!

Nur um dies festzuhalten: Der dazugehörende Text handelt von meinem Leben.

Offensichtlich stellt sich Google unter meiner Person einen schuppenflechtigen Fettsack vor, welcher mit Mundgeruch an einem PC-Kurs für Senioren teilnimmt…

Da frage ich mich doch zurecht: Woher wissen die das? Ob ich Google wohl mit der Unterzeichnung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen erlaubt habe, eine permanente Webcam auf mich zu richten?

*Update* Wie gefährlich Google-Werbungen sein können, wurde uns übrigens seit obigem Artikel bereits zwei weitere Male krass aufgezeigt: Haben „wir“ doch auf unserer Seite in den letzten Tagen für Dianetik Bücher geworben und – noch viel schlimmer – FC Basel Trikots angeboten.

Autsch!

Konsumtempel: Produkte, Markenartikel, Superschnäppchen – Wer permanent an der Angel des Kapitalismus hängt, dem hilft ein Gang in den logoröischen Erholungs-Schrein.

Hier geht’s zu weiteren marktschreierischen Angeboten!

 

 

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