Montag, 13. Dezember 2021, von staromat

Fünf Pinguine für Elmar

Beinahe wäre das 2021 mit einem einzigen Logorö-Artikel zu Ende gegangen! In letzter Minute watschelten fünf Pinguine aus dem Logorö-Archiv daher und retteten die prekäre Lage! Mit dem Migros Genossenschaftsbund haben diese noch immer eine Rechnung offen, aber das ist eine andere Geschichte!

Im Rahmen eines Adventsgeschichten-Wettbewerbs suchte die Migros im Jahr 2009 nach besinnlichen Erzählungen, welche folgende Begriffe beinhalten mussten:

  • Bodyshape Trampolin
  • „Snoopy“ Mädchen Pyjama
  • Bretzeleisen Bricelet
  • Backschokolade Würfel
  • Stabmixer Bamix de Luxe 180.

Damit lässt sich keine Geschichte schreiben? Ich war anderer Ansicht und sandte topmotiviert meinen Beitrag ein. Leider schien die Migros meine Begeisterung nicht zu teilen und die fünf Pinguine für Elmar landeten irgendwo in den Cumulus-Wolken.

Auch 12 Jahre danach bin ich noch immer entsetzt über die fatale Fehlentscheidung des Grossverteilers. Handelt es sich doch bei den fünf Pinguinen für Elmar praktisch um meine einzige Kurzgeschichte, welche humorvoll und beschwingt daherkommt und nicht so furchtbar ernst wie meine üblichen Novellen. Und wie brillant ich die bescheuerten Migros-Artikel in die Geschichte eingestreut habe! Perlen vor die Säue, sage ich da nur. Perlen vor die Säue!

Fragt sich einzig, wer dabei die Perlen und wer die Säue waren…

Fünf Pinguine für Elmar

„Rrrrrrrrrrrrrrrr“ vibrierte der Stabmixer Bamix de Luxe 180 pünktlich um 7 Uhr 15 über die hölzerne Oberfläche seines Nachttisches. Seit der Anschaffung einer modernen Zeitschaltuhr liess sich Elmar jeden Morgen von einem anderen elektrischen Küchengerät wecken. In einem kleinen Notizblock führte er eine genaue Statistik, welches Gerät wie lange brauchte und wie angenehm es ihn aus seinen Träumen lockte. Am besten schnitt bis anhin der Toaster ab (wie gut das schon beim Erwachen duftete!), knapp gefolgt von der Saftpresse sowie der Fritteuse. Mit der Mindestnote 1 musste Elmar bisher einzig das Bretzeleisen Bricelet bewerten. Der am Vorabend eingefüllte Teig hatte sich über Nacht vollkommen verdickt und als sich die Maschine am Morgen in Gang setzte, entwickelte sich rasch eine starke Rauchbildung. Elmar wäre an diesem Tag wohl von der Feuerwehr geweckt worden, hätte nicht das freche Kind aus der Wohnung über ihm bereits zu dieser frühen Stunde die ersten Sprünge auf seinem Bodyshape Trampolin vollbracht.

Die Variante Stabmixer überzeugte Elmar jedoch vollends und er entledigte sich gut gelaunt seines „Snoopy“ Mädchen Pyjamas. Der Mann im Textildruck-Geschäft zeigte sich damals leicht irritiert, als Elmar die Snoopy-Vorlage zusammen mit dem rosaroten Schlafanzug Grösse XL auf seinen Tresen legte. Aber was blieb Elmar denn anderes übrig? Er hatte alle Möglichkeiten ausprobiert und abgesehen vom Bob-der-Baumeister-Einteiler, in welchem er an den Wochenenden schlief, lieferte ihm der Snoopy-Schlafanzug einfach die besten Träume.

Als Elmar in der Küche den Wandkalender erblickte, war seine gute Laune wie weggeblasen.

Heute war Weihnachten!

Geschockt setzte er sich an den Küchentisch. Seit Elmar dazu übergegangen war, statt des Weihnachtstages die Nicht-Weihnachtstage zu feiern, war die jährliche Anzahl seiner Festivitäten beträchtlich angestiegen. 364 Mal (in den Schaltjahren gar 365 Mal) bereitete er sich abends ein feines Mahl zu, liess die Kerzen seines Plastikbaumes brennen – echte Bäume waren ihm auf Dauer zu teuer geworden – und öffnete zu besinnlichen Klängen seine Geschenke, welche er anschliessend fein säuberlich für den nächsten Tag wieder einpackte. Auf diese Weise war für Elmar jeder Tag ein Weihnachtstag geworden und er amüsierte sich köstlich über die Engstirnigkeit anderer Leute, welche sich dieses Vergnügen nur einmal im Jahr gönnten.

Einzig an Weihnachten selbst mangelte es Elmar irgendwie an Exklusivität, um so richtig in Stimmung zu kommen. Und so blieb er – wie immer an diesem Datum – am Küchentisch sitzen, starrte auf die Uhr und zählte ständig von neuem die Minuten, die dieser traurige Tag noch dauern würde.

Gegen 18 Uhr fuhr ein Postauto durch seine Wohnung. Zumindest hätte ein unwissender Beobachter dies vermutet, seit Elmar die Türglocke mit einem Postautohorn verbunden hatte. Da Elmar jedoch so gut wie nie Besuch erhielt, zuckte er selbst zusammen, als das Horn erklang.

Verwirrt spähte er aus dem Fenster und traute seinen Augen nicht. Unten im schneebedeckten Vorgarten standen fünf Kinder in Pinguinkostümen – allesamt mit Flossen und Taucherbrillen versehen – und intonierten gemeinsam die Schweizer Nationalhymne.

„Wissen Sie, Herr Bättig“, sagte das freche Kind von oberhalb, welches Elmar aufgrund der Verkleidung erst jetzt unter den Pinguinen erkannte. „Weil Sie doch immer alles anders machen – und wir das meistens recht lustig finden – wollten wir Ihnen auch einmal eine Freude bereiten.“

Geschmeichelt warf Elmar einige Backschokolade Würfel in den Schnee – er hatte spontan nichts Besseres zur Hand. Die Kinder lachten, sammelten die Würfel ein und stolperten unbeholfen auf ihren Flossen davon. Elmar blickte ihnen noch lange sprachlos nach.

Weihnachten konnten ja sogar an Weihnachten selbst wunderschön sein.

In der Geschichtenkiste sammelt Staromat alte und neue Erzählungen aus der eigenen Feder.

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3 Kommentare zu „Fünf Pinguine für Elmar“

  1. Rahel sagt:

    Gerade habe ich Deine Weihnachtsgeschichte über Elmar und die Pinguine gelesen. Es ist mir ein absolutes Rätsel, weshalb die Migros davon nichts wissen wollte… Ich habe jedenfalls Tränen gelacht.
    Du MUSST unbedingt ein Buch schreiben!! Ich bin überzeugt, dass es ein Bestseller würde. Wünsche Dir einen schönen Nachmittag!! LG Rahel

  2. Jennifer-Lee sagt:

    Wunderbar lieber Patric! Am lustigeren fand ich das Bild, wie Elmar Schokoladenwürfel in den Schnee wirft – als Dankeschön! Mach ich vielleicht auch mal.. zb an Halloween. Mal was anderes…

  3. Elmar Bättig sagt:

    Grüezi Patric

    Ein wahrlich gutes Gefühl in einer so wunderbaren Geschichte mitgespielt zu haben…ganz herzlichen Dank!!
    Werde mir heute abend mal den Toaster auf den Nachttisch stellen…

    Liebe Grüsse und bis bald
    Elmar

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