Mittwoch, 6. Juli 2011, von staromat

Wenn Staatsanwälte fliegen lernen

Für gewöhnlich sind Staatsanwälte am oberen Ende der Nahrungskette anzutreffen. Dass es auch hier Ausnahmen gibt, musste ein befreundetes Exemplar dieser Gattung am eigenen Leib erfahren.

Die folgende Geschichte spielte sich vor vier Jahren in einer heute nicht mehr existierenden Pizzeria beim Helvetiaplatz ab. Zusammen mit zwei Sekretariatskolleginnen sowie dem erwähnten Staatsanwalt geben wir gerade die Bestellung fürs Mittagessen auf. Der Staatsanwalt ist als erster an der Reihe und erkundigt sich, ob er denn die Pizza vom Menü 3 auch mit Schinken statt Thon belegt haben könne. Freundlich erklärt die Serviertochter, dass dies leider nicht möglich sei, worauf brav das Standardmenü bestellt wird.

Als sich die Serviertochter der nächsten Person zuwendet, kann sich der Staatsanwalt den fatalen Zusatz „Das letzte Mal ging das aber noch“ nicht verkneifen. Tja. Das war’s dann auch schon. Die Bedienung sieht rot, bricht die Bestellaufnahme sofort ab und lässt uns fragend sitzen.

Eine Minute später erscheint die Serviertochter mit dem Koch im Gefolge an unserem Tisch und wir warten gespannt auf dessen Vermittlungsfähigkeiten. Nach einer kurzen Begrüssung auf italienisch kommt der Koch gleich zur Sache: „Habe Sie bestellt Schinken statt Thon?“ Der Staatsanwalt bejaht die Frage, worauf der Finger des Kochs sofort auf die Türe zeigt.

„Also, use!“

Nach einigen Momenten der absoluten Konsternation, in welchen die Mimik des Kochs nicht die geringsten Anzeichen eines Scherzes zu erkennen gibt, erheben wir uns vom Tisch und lassen diesen mitsamt den zuvor bereits servierten Getränken zurück.

Was für eine souveräne Problemlösung! Das nenne ich erlebnisorientierte Gastronomie!

Vermutlich wird sich der Staatsanwalt nun „Wenn schon, denn schon“ gedacht haben, denn als er ein befreundetes Paar am Nebentisch passiert, empfiehlt er ihnen in aller Lautstärke, besser auf Schinken statt Thon beim Menü 3 zu verzichten. Obwohl er nach dieser Äusserung den Kopf sicherheitshalber ein wenig einzieht, fliegt ihm doch keine Kochkelle um die Ohren und wir landen unversehrt, aber hungrig, auf der Strasse.

Selbst heute, vier Jahre nach dem Vorfall, kann ich obige Ereignisse noch immer nicht richtig einordnen. Hatte der Koch seine Tage? Wurden wir Opfer einer skurrilen Wette? Ist Schinken so viel teurer als Thon?

Wobei, komplett unerwartet hätte uns das Ganze nicht treffen müssen. Schliesslich lautete der Name des Restaurants bezeichnenderweise: „CIAO“.

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

Hier geht’s zu allen Vor-dem-Büro-Kolumnen!

2 Kommentare zu „Wenn Staatsanwälte fliegen lernen“

  1. Rene sagt:

    He he, so eine gute und passende Charakteristik. Mein Kompliment für den guten Beitrag!

    Herzliche Grüße, Rene!

  2. Tapfer sagt:

    Anscheinend hat Suppen-Nazi eine Pizzeria in Zürich eröffnet…

    Für Nicht-Seinfeld-Insider:
    http://www.kreisverkehr-t.de/kino_tv/seinfeld/der_suppen-nazi.htm

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