Montag, 4. Mai 2020, von staromat

Mein Leben in Platten – Teil 3

Nur um dies vorweg festzuhalten: Ich bin alles andere als stolz auf all die Offenbarungen, welche im dritten Teil meiner vinylen Autobiographie auf euch warten, aber Hey! Wir befinden uns nun mitten in der Blütezeit meiner Entwicklungsjahre!

Und dann kam sie also doch noch in mein Leben, die Pubertät! Unglaublich, was so ein kleines, unscheinbares und übelst hässlich klingendes Wort für eine Wucht haben kann. Commodore-64-Spiele, denen man zuvor jahrelang gehuldigt hatte, verlieren über Nacht vollständig ihre Anziehungskraft, den Traum vom Fussballprofi kann man auf einmal selbst nicht mehr nachvollziehen und Mädchen, in deren Anwesenheit man sich zuvor schon immer komisch nervös gefühlt hatte, treiben einen nun komplett in den Wahnsinn.

Der einzig beständige Begleiter durch diese wilden Zeiten ist die Musik. Doch auch diese ist einem massiven Wandel unterworfen.

Mein Leben in Platten – Teil 3
Die Pubertät

 

Samantha

Bei Samantha Fox ist es mir ein wichtiges Anliegen, zu betonen, in welcher Reihenfolge diese Frau in mein Leben gefunden hatte: ZUERST nahm ich ihr gehauchtes „Touch me“ am Radio wahr, DANACH verzauberte mich ihr wunderschönes Gesicht und ERST DANN erfuhr ich, dass Frau Fox eigentlich eher für andere Attribute bekannt war!

Aber Samantha kam gerade zur rechten Zeit! Meine Bravo-Starschnitt-Poster von Boy George, Michael Jackson und sogar derjenige von Madonna besassen null Provokationseffekt mehr bei meinen Eltern. Und dank Sam, wie ich sie liebevoll nannte, hing nun urplötzlich ein riesiges Foto einer halbnackten Frau an meiner Wand!

Ich habe im Internet exakt ein Bild des Posters von damals wieder gefunden und will es euch nicht vorenthalten. Es ist hier bewusst klein gehalten, damit die Emotionen sachlich bei der Musik (und meinem Leben) bleiben können.

Samanta Poster

Die beabsichtigte Skandal-Wirkung war jedoch gleich null. Weder rissen meine Eltern das Poster von der Wand, noch wurde es überhaupt Gesprächsthema. Perlen vor die Säue, sage ich da nur (oder Traumfrauen vor sabbernde Teenager, je nach Blickwinkel).

Jahrzehnte später erzählte ich einer Arbeitskollegin von meiner pubertären Variante der Zimmerdekoration. Dabei musste diese irgendetwas falsch verstanden haben. Sie verstummte erst kurz, blickte mich perplex an und meinte dann leicht verstört: „…und wie genau bist du an ein Poster von Berti Vogts im Negligé gekommen?“

Ich war froh, konnten wir dieses Missverständnis klären, doch das dadurch entstandene Bild in meinem Kopfkino erledigte dann wohl mein Kapitel Samantha Fox für immer.

Ebenfalls nominiert in dieser Kategorie waren:

  • Sabrina (In ihrem Musikvideo zu „Boys (Summertime Love)“ plantscht die hübsche Italienerin in einem Pool und ist grösstenteils damit beschäftigt, das Herunterrutschen ihres weissen Bikini-Oberteils zu verhindern. Und auch beim 200sten Betrachten wurden Teen Staromat’s Hoffnungen immer wieder aufs Neue bitter enttäuscht, dass ihr dieses Unterfangen doch ein einziges Mal misslingen könnte.)
  • Jane Birkin (Ihr Duett „Je t’aime… moi non plus“ mit Serge Gainsbourg wurde zwar drei Jahre vor meiner Geburt aufgenommen, dennoch war sie die erste Frau, bei deren Orgasmus ich musikalisch dabei sein durfte.)
  • Pamela Anderson (Okay, diese Dame ist jetzt weniger für ihre Musik bekannt, aber man sollte Frauen nicht immer nur oberflächlich auf ihre Stimme reduzieren.)

Kylie

Kylie Minogue und ich, wir wären zusammen glücklich geworden, da bin ich mir heute noch sicher. Meine Liebe hätte für beide gereicht. Wie sie auf ihrem ersten Albumcover mit dem kecken Hut schüchtern in die Kamera lächelt! Ich war 16 und hätte auf sie gewartet!

Auch musikalisch verursachte mir Kylie einen kleinen Nine-Eleven-Moment. Als allerersten Song hörte ich ihre Version von „The Loco-Motion“ im Radio und ich kann mich noch ganz genau an diesen Augenblick erinnern. Diese Stimme! Dieses Lied! Kylie konnte es nur für mich geschrieben haben!

Mit ihrer entzückenden Ausstrahlung zerstörte Kylie damals beinahe eine gute Freundschaft! Als ich zusammen mit einem Kollegen im Eschenmoser obiges Kunstwerk erstand, schenkte uns der Verkäufer ein grosses Poster von Frau Minogue dazu. Das Problem war, dass ICH es war, welcher die Platte kaufte, der Verkäufer das gerollte Poster aber MEINEM KOLLEGEN in die Hand drückte! Wem gehörte Kylie nun? Wir kamen lange nicht darüber weg und Hierro, wenn du das hier liest, rück endlich das Poster heraus! 31 Jahre an deinen Wänden sind genug!

Ebenfalls nominiert in dieser Kategorie waren:

  • Sophie Marceau (Schon wieder eine Schauspielerin, aber Richard Sandersons „Dreams are my reality“ aus „La Boum“ ist für immer mit der betörenden Französin verknüpft.)
  • Suzanne Vega (Bei Suzanne hätte ich ohne Zögern sofort ihre Stimme geheiratet.)
  • Nena (Ich war zwar weniger in sie verliebt, aber dafür umso mehr in ein mir unbekanntes, gleichaltriges Mädchen, welches übers Lokalradio nach einer Begleitung ans Nena-Konzert im Hallenstadion suchte. Meine Eltern erlaubten dies nicht und das nehme ich ihnen heute noch übel!)

Iron Maiden

And now for something completely different. Da ich ein glühender Anhänger von Horror-Romanen und -Filmen war, übten die Album-Covers von Iron Maiden und Konsorten eine starke Faszination auf mich aus. Die Musik auf den Scheiben fand ich fürchterlich, sie hatte jedoch einen sensationellen Nebeneffekt. Eine Weile lang musste ich das Zimmer mit meiner zwei Jahre älteren Schwester teilen. Wir hatten beide eine eigene Stereoanlage und sie hörte hauptsächlich Eros Ramazzotti! Was soll ich sagen? Mit Eurythmics, Kajagoogoo und Bananarama konnte ich die Lautstärke noch so aufdrehen, ich kam nicht gegen Eros an, bei den teuflischen Platten spielte es hingegen keine Rolle, dass da irgendwo noch ein Italiener mit schrie.

Eine kleine Anekdote fuxt mich diesbezüglich noch heute. Als ordentliches Kind der 80er-Jahre benutzte ich damals selbstverständlich für jeden Millimeter mein frisiertes Töffli. Im Gegensatz zu allen anderen besass ich keinen Ciao und auch keinen Puch Maxi, sondern einen California. Dieser hatte zwar eine Wasserkühlung, dafür aber keinen Reservetank, was mir die Erfahrung von unzähligen Kilometern Töffli-Stossen bereitete. Auf alle Fälle wurde mir dieser California einmal vor dem Jugendhaus Regensdorf gestohlen. Ich war am Boden zerstört, bis mir Kollegen mitteilten, dass ein gewisser „Lee“ aus Buchs der Übeltäter gewesen sei. Ich machte die Adresse ausfindig, radelte sofort hin und tatsächlich! Im Garten lag mein California, sorglos auf die Seite geworfen! In meiner Wut suchte ich erst ca. eine halbe Stunde erfolglos nach einem Polizeiposten in Buchs, danach plusterte ich mich zu einem halben John Wayne auf, klingelte bei Lee’s Wohnung und teite der armen Mutter, welche die Türe öffnete, sämtliche mir bekannten Schimpfwörter als Bezeichnung für ihren missratenen Sohn aus.

Was hat das alles mit Iron Maiden zu tun? Nun, ungefähr ein halbes Jahr später entschied ich mich, alle meine „lärmigen“ Platten wegzugeben. Diese hatten ihre Pflicht erfüllt, meine ältere Schwester war mittlerweile ausgezogen. Ich begab mich also mit einer Migrostüte voller Schallplatten ins Jugendhaus und fragte, ob jemand Verwendung dafür habe. Ein kleiner Asiate, den ich nicht persönlich kannte, zeigte sich äusserst begeistert und sehr dankbar, dass ich nicht einmal Geld für die Scheiben haben wollte.

Einmal könnt ihr raten, um wen es sich bei dem kleinen Asiaten gehandelt hat!

Ebenfalls nominiert in dieser Kategorie waren:

  • Megadeth (und alle anderen Bands, deren Namen irgendwie „Tod“, „Teufel“ und/oder „Hölle“ enthielten.)
  • Krokus (Den Dreck von Chris von Rohr habe ich schon in den 80er-Jahren als Dreck empfunden.)
  • Sigue Sigue Sputnik (deren „21st Century Boy“ finde ich hingegen auch heute noch irgendwie verschärft.)

* to be continued *

 

Mein Leben in Platten – Eine Autobiographie in runden Scheiben

Bisher erschienen:
Teil 1 – Die Kindheit
– Teil 2 – Jung und verdammt (heiss auf Musik)
– Teil 3 – Die Pubertät
– Teil 4 – Musig us dä Schwiiz

Based on a true Story – Staromat erzählt als offenes Buch Geschehnisse, die sein Leben bewegten. 

Hier geht’s zu allen Erlebnissen!

 

2 Kommentare zu „Mein Leben in Platten – Teil 3“

  1. Hierro sagt:

    Sorry Staromat, Hierro kann sich vom Kylie-Poster noch nicht trennen. Du wirst weitere 31 Jahre warten müssen…

  2. Marion sagt:

    Ich bin immer wieder beeindruckt über dein Logoroeblog … ich liebe es darin zum schmökern und der Montagmorgen wird gleich etwas leichter… es zaubert immer ein Lächeln und einen Knicks vor Hochachtung… vielen Dank für die Episoden aus deinen Gedanken!

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