Sonntag, 16. Januar 2022, von staromat

Wenn fremde Kinder nerven

Dass die eigenen Kinder ihren Eltern hin und wieder auf den Sack gehen, ist absolut angebracht. Schliesslich strapazieren die Erziehungsberechtigen die Nerven ihrer Nachkommen, gerade in Pubertätszeiten, ebenfalls aufs Äusserste. Aber dürfen einem auch fremde Kinder Verdruss bereiten?

Beim nachfolgenden Text handelt es sich nicht nur um eine gedankliche Spielerei auf 2’000 Metern über Meer, sondern auch um eine schonungslose Schilderung meines journalistischen Scheiterns. Erhielt ich doch vor etlichen Jahren aus heiterem Himmel die Gelegenheit, im Papablog des Tages-Anzeigers mitschreiben zu dürfen! Die damalige Hauptverantwortliche der Kolumne wurde über diese Logorö-Seite auf mich aufmerksam und teilte mir mit, dass ich sicher gut ins Format und ins Team passen würde.

Es war die klassische Tellerwäscher-wird-Millionär-Geschichte, mit dem einzigen Unterschied, dass ich danach souverän kein einziges Geschirrstück abspülte. Ich versemmelte es sensationell! Voller Euphorie setzte ich mich an den Computer und wollte gleich mal fünfzig Artikel auf Vorrat schreiben, entdeckte dann aber eine formidable Online-Poker-Seite, wo ich in den kommenden drei Monaten mein Startkapital von zwei Millionen Jetons auf über eine Milliarde vermehrte. Dass es sich dabei um Spielgeld handelte, versteht sich von selbst. Und auch nachdem ich meinen Poker-Account  gelöscht hatte, kümmerte ich mich praktisch um alles, bloss nicht um die Chance meines Lebens.

Vor zwei Jahren wollte ich es dann doch noch wissen und sandte unterwürfig und demütig das nachfolgende Manuskript mit dem Titel „Wenn fremde Kinder nerven“ als Antwort auf die nette E-Mail der Tagi-Verantwortlichen ein. „Hey, hier ist Staromat. Sorry, dass ich mich mal so eben ein halbes Jahrzehnt nicht gemeldet habe, aber anbei hätte ich nun einen pfannenfertigen Artikel für euch.“

Selbstverständlich erhielt ich postwendend eine Antwort des Tages-Anzeiger-Mailservers mit dem Hinweis, dass die adressierte Person nicht mehr bei ihnen arbeiten würde.

Von verzweifeltem Ehrgeiz angestachelt, sandte ich die Nachricht an die Haupt-Mailadresse des Mamablogs, danach an einzelne Redaktor:innen. Da eine Antwort ausblieb, ging ich bei der Tages-Anzeiger-Redaktion vorbei und reichte meinen Text zusammen mit einem kleinen Begleitschreiben persönlich ein.

Kurz vor der Einleitung eines Stalking-Verfahrens gab ich resigniert auf. Vom Tages-Anzeiger habe ich nie eine Reaktion erhalten. Ob sie ihr Antwortverhalten ganz einfach dem meinigen anpassten? Wie du mir, so wir dir? Oder lag es vielleicht doch am Text? Dürfen fremde Kinder nicht einmal in einer Kolumne nerven?

Ach, lest und entscheidet am besten selbst. Viel Vergnügen!

Wenn fremde Kinder nerven

Ein gewagtes Experiment auf 2’000 Metern über Meer

Seit über 20 Jahren verbringen wir jeden Herbst zusammen mit Freunden eine Woche in einer heimeligen Berghütte auf der Engstligenalp. Im Leben vor den Kindern amüsierten wir uns jeweils bis tief in die Nacht hinein mit Gesellschaftsspielen, erschreckten einander zu Tode mit üblen Streichen und erfanden beim Fondue-Essen die prächtigsten Asterix-Strafen für die armen Brotverlierer:innen. Da mittlerweile die meisten von uns neben Schlafsack, Zahnbürste und viel Proviant auch Nachwuchs mit auf die Alp bringen, hat sich unser Aufenthalt in den Bergen jedoch markant verändert.

Die Gesellschaftsspiele sind geblieben, wir gewinnen oder verlieren sie jetzt einfach gemeinsam. Die Streiche wie auch die Fondue-Ideen haben massiv an Bösartigkeit eingebüsst und „bis tief in die Nacht hinein“ meint neu 21.45 Uhr. Dann ist Lichterlöschen. Natürlich nicht wegen der Kinder, die würden locker noch länger durchhalten.

Auf eben dieser Engstligenalp wurde vergangenen Herbst definitiv der Satz meines Jahres ausgesprochen. Zusammen mit einem guten Freund spazierte ich gemütlich über die Ebene, als er aus dem Nichts heraus meinte: „Läck Bobby, hüt sind mir dini Chind mal wieder so richtig uf dä Sack gange!“

Mit einem Mal war ich Feuer und Flamme für unser Gespräch. Dies waren Worte, die ich so noch nie gehört habe! In meinem bisherigen Weltbild gingen Kinder in erster Linie den eigenen Eltern auf die Nerven. Und nun diese Aussage! Definitiv Neuland. Wir betraten unerforschtes Gebiet.

Sofort sprudelte meine Fragequelle los wie ein mit Kohlensäure gefüllter Jacuzzi. Was meine Kids denn getan hätten? Ob er sie zurechtgewiesen habe? Auf welche Art und Weise er dies unternommen habe und wie sie darauf reagiert hätten?

Leider stellte sich bereits nach wenigen Sekunden heraus, dass er gar nicht von meinen, sondern von seinen Kindern gesprochen und ich lediglich einen Buchstaben falsch verstanden hatte. Mini Chind, Dini Chind. Das kann schon mal vorkommen, es ist auch arg windig auf der Engstligenalp.

Back to the roots also. Über die eigenen Kinder darf lamentiert werden, niemals jedoch über diejenigen eines anderen Anwesenden! Das ist vergleichbar mit einem Gespräch mit einer Frau über deren Aussehen. Sagt diese, dass sie heute mal wieder fürchterlich aussehe, so darf sie dies knallhart so formulieren, du hingegen liegst bereits mit einem abwiegelnden „Ach nicht doch, vielleicht hast du bloss etwas Augenringe“ way over the line! Wer in ein solches Gespräch gerät, sollte schleunigst das Weite suchen.

Doch zurück auf die Alp. Während sich mein Spaziergenosse also Fettnäpfchen-gefahrlos über die eigenen Kinder beklagte, fragte ich mich, weshalb diese heilige Kuh eigentlich so selten gemolken würde. Als Eltern tragen wir doch ohnehin permanent unsere Mein-Kind-ist-super-so-wie-es-ist-und-sonst-handelt-es-sich-nur-um-eine-Phase-Brille. Es wäre doch äusserst spannend, einmal zu erfahren, welches „Entwicklungspotential“ andere in meinen Kindern sehen.

Aber könnte ich eine konkrete Kritik am eigenen Nachwuchs auch akzeptieren? Würde ich nicht doch mit Gegenargumenten ins Feld ziehen? Die Kinder auf Teufel komm raus verteidigen? Oder gar der Verlockung verfallen, einen heimtückischen Gegenangriff zu lancieren? Okay Buddy, meine Tochter mag vielleicht ihre Fehler haben, aber dein Sohn ist auch nicht gerade eine Leuchte!

Ich nahm mir fest vor, am Abend eine kleine Feldforschung in Angriff zu nehmen. Sobald die Kinder mit Comic-Heften, Büchern oder wahrscheinlich doch eher Mobiltelefonen in den Betten lägen, müsste jede erwachsene Person für jedes Kind der anderen ein Attribut aufschreiben, welches ihr an diesem missfällt. Joker gäbe es keine. Danach würden die Diss-Listen gemeinsam ausgewertet. Die Emotionen würden sicherlich heiss gekocht werden. Wahrscheinlich käme es zu Tränen und Handgreiflichkeiten. Die Engstligenalp stellte für ein Experiment dieser Art den perfekten Ort dar. Die Gondel ins Tal fährt jeweils erst am nächsten Morgen wieder.

Ein grossartiger Plan war geboren und ich hätte ihn auch garantiert in die Tat umgesetzt, doch leider fielen mir pünktlich um 21.45 Uhr die Augen zu und unsere Herbstferien fanden ein harmonisches und gefahrenloses Ende.

Kinder, Kinder, Kinder! Patzigste Geschöpfe, die locker und unbeschwert höchste Glücksgefühle und tiefste Wahnsinnszustände auslösen – meist sogar im gleichen Atemzug!

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2 Kommentare zu „Wenn fremde Kinder nerven“

  1. Karin sagt:

    HAHA! So guet. Ich glaubs, ich mag mi sogar na a de Moment erinnere, wo ihr vom Spaziergang heicho sind und du mir das verzellt häsch. Aber schad, händ mir nie das Spieli chöne spiele mit de nervende, nid eigne Chind. Das wär sicher na spannend! ;-))))

  2. Theres sagt:

    Diesen Artikel hätte ich gerne im Mamablog gelesen! Ist super geschrieben und sehr wahr. 😋

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