Montag, 21. Januar 2013, von staromat

Hurra wir leben noch!

Dies dürfte wohl die denkbar ungünstigste Ausgangslage für das Verfassen einer Kolumne sein: Redaktionsschluss November 2012, Erscheinungsdatum Januar 2013. Dazwischen liegt nicht mehr und nicht weniger als ein Weltuntergang.

Die Mayas mögen ja von vielem eine Ahnung gehabt haben, von der Astronomie, der Architektur, dem Kriegswesen etc. Ein Mysterium dieser Welt blieb ihnen jedoch definitiv verschlossen: Die unglaublich lange Zeitspanne zwischen Redaktionsschluss und Erscheinungsdatum der Letzten Pendenz. Sonst hätten sie ihren Kalender mit Sicherheit nicht genau mitten in einer solchen Phase enden lassen.

Egal wie es mit der Welt weitergehen wird, zum Scheitern verurteilt ist dieser Text alleweil. Kommt der grosse Wumms effektiv kurz vor Weihnachten, habe ich einige meiner letzten Stunden damit verbracht, einen nie erscheinenden Artikel zu verfassen. Setze ich aber voll auf den Big Bang und überlasse diese Kolumne meinem 1jährigen Sohn Julian als Ghostwriter (er haut so gerne auf die Tastatur) werde ich bei ausbleibendem Weltenende wohl einige Wochen getarnt zur Arbeit erscheinen müssen.

Ich könnte dieses Dilemma natürlich elegant lösen, indem ich einfach einen coolen Tagi-Magi-Text von Michèle Roten oder Max Küng abschreiben würde. Sollten mir dann im Januar Plagiatsvorwürfe entgegen prasseln, rufe ich einfach: „Hey! Seid doch froh, dass ihr noch lebt. Halleluja!“

Irgendwie erscheint mir jedoch alles etwas übertrieben. Bloss weil bei den Mayas ein Kalender zu Ende geht, so ein Theater zu machen. Bei uns geschieht dies alljährlich und trotzdem feiern wir jeweils mehr oder weniger anständig Silvester.

Aber es waren ja nicht nur die Mayas, welche für das Jahr 2012 düstere Prognosen stellten. Nostradamus, die Hopi Indianer, Zulus, Maoris, Ägypter, der Bibel Code – alle sahen sie das Ende kommen. Verheerende Sonnenstürme, auf die Erde prasselnde Kometen, zurückkehrende Ausserirdische, dritte Weltkriege, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Wasserfluten. Wäre auch nur schon ein Teil davon eingetroffen, das letzte Jahr hätte einen unglaublichen Schlussspurt hinlegen müssen.

Das Erscheinen dieses Beitrages beweist nun aber definitiv, dass der finale Knall wirklich nicht gekommen ist. Alles dreht sich brav weiter wie zuvor.

Ein klitzekleiner Weltuntergang findet aber dennoch statt – genau jetzt in diesem Moment. Mit diesen Zeilen endet nach über 4 Jahren mein Engagement in der Letzten Pendenz. Ich bedanke mich herzlich für die Unterstützung während der ganzen Zeit und schliesse mit meinem Lieblings-Abschiedszitat von Bertolt Brecht: „Wenn ein Freund weggeht, muss man die Türe schliessen, sonst wird es kalt.“

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

Hier geht’s zu allen Vor-dem-Büro-Kolumnen!

1 Kommentar zu „Hurra wir leben noch!“

  1. DOminic M sagt:

    Auch wenn ich das ganze hier nicht durchgelesen habe, weiss ich genau das, dass ein sehr intelligenter Text ist.

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