Donnerstag, 2. August 2012, von staromat

Beamten-Schnappschüsse

Wer glaubt, das Leben als kantonaler Verwaltungsangestellter sei geprägt von grauem Alltag und unendlich vielen Formularen, dem könnte ich nur beim zweiten Punkt leidgeplagt zustimmen. Unsere täglichen 8:24 Stunden hingegen werden immer wieder aufgelockert von Erlebnissen der anderen Art. Hier meine persönlichen Top Five.

Rang 5: Die Einvernahme mit einem Modelleisenbähnler

Telefonanruf von unserer Loge. Herr H. von der Märklin Express sei hier für eine Zeugeneinvernahme. Begeistert erkundige ich mich bei meiner Chefin, in was für einem Fall wir denn einen Modelleisenbähnler befragen würden. Es stellt sich dann jedoch heraus, dass ich die Loge falsch verstanden hatte. Es ging um Kreditkartenmissbrauch und Herr H. kam nicht von der Märklin Express, sondern von der American Express.

Rang 4: Der Termin in der Vergangenheit

Ich informiere eine Geschädigte, dass sie ihr entwendetes Mobiltelefon bei uns abholen könne.

Sie: „Das ist jetzt aber dumm. Gerade gestern wäre ich in Zürich gewesen und hätte das Telefon abholen können.“

Ich: „Tja, gestern kriegen wir leider nicht mehr hin. Wann können Sie es denn abholen?“

Sie: „Ich wäre gestern sogar noch bei Ihnen in der Nähe gewesen!“

Ich: „Wie gesagt, das ist leider nicht mehr möglich. Wann…“

Sie: „Jetzt muss ich extra nochmals nach Zürich kommen, wo ich das Handy doch gestern so gut hätte abholen können!“

Am liebsten hätte ich geantwortet: „Also gut, Frau X, dann mache ich jetzt mal eine Ausnahme für Sie. Um welche Zeit wollen Sie denn gestern vorbeikommen?“

Rang 3: Ein Fettnäpfchen mit perfekter Reaktion

Beim alljährlichen Amtsstellen-Weihnachtsessen begrüsst meine Bürokollegin aufgrund eines totalen Blackouts Oberstaatsanwalt Martin Bürgisser mit „Grüezi Herr Eckert“. Der falsch Angesprochene gibt ihr die Hand und erwidert: „Grüezi Frau Meier“. Leicht irritiert meint meine Kollegin: „Ich heisse gar nicht Meier“, worauf sie „Und ich nicht Herr Eckert“ als Antwort erhält.

Rang 2: Die Weisheit einer Mutter

Die Mutter eines wegen Raubes in Untersuchungshaft sitzenden jungen Mannes ist am Telefon und hat Fragen zur Inhaftierung ihres Sohnes. Im Laufe des Gesprächs wird sie plötzlich laut und schreit mich an: „Sie behandeln meinen Sohn ja wie einen Verbrecher!“

Wo sie recht hat, hat sie recht, die gute Frau.

Rang 1: Wenn Krüge im Brunnen Tee trinken

In einer Einvernahme betreffend Körperverletzung erklärt der Beschuldigte, er habe zugeschlagen, weil bei ihm einfach der Kessel gekocht habe und dann das Ventil herausgeflogen sei. Sofort stutze ich beim Schreiben und versuche, die korrekte Redewendung zu finden. Das Ventil fliegt doch nicht heraus? Und der Kessel kocht doch nicht einfach nur, sondern über? Ich suche verzweifelt nach einer anderen Formulierung. Die Rösser sind mit ihm durchgegangen? Aber die stiehlt man doch miteinander. Und was mache ich denn dann mit dem Ventil?

Während der restlichen Einvernahme bin ich völlig von der Rolle. Dabei müsste ich eigentlich familiär bedingt auf solche Situationen bestens vorbereitet sein. Meine jüngere Schwester ist Europameisterin in Sachen Sprichwort-Verdrehungen. „Chum git mer dir d’Hand, willsch immer grad dä chli Finger!“ oder „Du wotsch immer s’Weggli und s’Schoggistängeli“ sind Standards in ihrem Repertoire. Und auch meine Tochter klatscht jeweils in die Hände, wenn sie etwas anpackt und sagt: „Jetzt mached mer Nägel i d’Chöpf!“

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

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1 Kommentar zu „Beamten-Schnappschüsse“

  1. Michi sagt:

    schon aus dem webstübchen geplaudert. hätten auch hier ganz viel tolle beispiele, weil die leute nicht nur beim verbrechen sondern auch beim ferien machen ihren kopf und kragen daheim lassen. nägel i’d chöpf würde ich dabei gerne manchmal machen. vielleicht werde ich ja bald mal von deinem Büro eingeladen. übrigens hast du dich als modelleisenbähnler geoutet. gute besserung.

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