Dienstag, 17. Januar 2012, von staromat

Switzerland’s next Göpf Egg

Das Jassturnier der Zürcher Justiz bietet stets beste Unterhaltung und Spielfreude, jedoch selten Überraschendes, was die Podestplätze angeht. Die 2011er Ausgabe erlaubte sich hier für einmal eine Ausnahme. Eine unglaubliche Geschichte in sieben Kapiteln.

Kapitel 1: Die Vorgeschichte

Eigentlich sollte ich das Jassen im Blut haben. Meine Grosseltern waren begeisterte Spieler, mein Vater organisierte wöchentlich einen Jassabend, meine Mutter war einst Telefonjasserin beim Samschtigsjass (gut, meine Mutter war auch Teilnehmerin bei Deal or No Deal, Karrussel, 5 gegen 5 etc., aber das ist eine andere Geschichte). Auf alle Fälle hätte ich die besten Voraussetzungen zum Göpf Staromat gehabt, wenn man mich denn gelassen hätte! Das Gegenteil war jedoch der Fall! Nicht selten beklagte sich ein Familienmitglied, dass wir leider nicht genug Leute für einen Schieber seien, worauf Klein Staromat in die Runde schaute und – mit sich selbst – auf vier Spieler kam. Die restlichen Familienmitglieder winkten jedoch stets gleich ab: „Nei, nei, es brucht vier, wo jasse chönd.“

Kapitel 2: Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Sommer 2011 zu Besuch bei den Eltern: Nach einem feinen Essen frage ich: „Und? Mached mer no en Jass?“ Die Mutter beginnt den Tisch abzuräumen, der Vater fragt, wer Kaffee möchte und der Schwager erzählt etwas von einem Fussballspiel. Perplex blicke ich in die Runde. Darauf der Vater: „Wie bitte? Du häsch das ernscht gmeint mit em Jasse?“

Kapitel 3: Die dargebotene Hand

Dabei hätten sie eigentlich wissen müssen, dass aus ihrem ehemaligen Mobbing-Opfer ein zuverlässiger Turnierspieler geworden war. Zuverlässig bis anhin nur im Sinne von jedes Mal mit dabei, versteht sich. Es war im Herbst 2006, als die damalige KV-Lernende Nina D. mich fürs Justiz-Turnier anfragte und mich aus dem jasstechnischen Niemandsland holte. Ich schlug ein und wir gingen sensationell unter. Ninas Helfersyndrom war angeworfen und Jahr für Jahr holten wir eine weitere Klatsche ab.

2011 sollte alles anders kommen! Neben einer seriösen Vorbereitung (ein Jassabend mit Kollegen), erhielt ich von Nina für die Turnierwoche handfeste Auflagen: Stets um 21 Uhr Lichterlöschen sowie am Turniertag ein später Arbeitsbeginn, um die üblichen Müdigkeitsfehler zu vermeiden. Sie wollte es wirklich wissen! Angestachelt von ihrem Ehrgeiz fragte ich am Vortag meinen ehemaligen Chef, ob ich ihm nach dem Turnier eine SMS mit unserem Schlussrang oder gleich eine MMS von uns mit dem Pokal zusenden solle.

Kapitel 4: Von Würfeln und Spickzetteln

Dann ging das Turnier los und nach einer ordentlichen ersten Runde setzten wir uns zu unseren nächsten Gegnerinnen. Während die eine der beiden sympathischen Frauen permanent die Worte Austeilen und Würfeln verwechselte („Wär isch dra mit Würfle?“) legte die andere gleich zu Beginn einen Zettel auf den Tisch: „Reihenfolge: Ass: 11 Punkte, König: 4 Punkte, Ober: 3 Punkte usw.“ Man kann wohl sagen, dass hier der Grundstein gelegt wurde für alles, was folgte.

Kapitel 5: Einsam im Erfolg

So lagen wir also nach der zweiten Runde plötzlich auf Rang 1! Zum allerersten Mal! Nina und ich! Während meine Jasspartnerin mit zitternden Händen versuchte, die Tabelle zu fotografieren, stolzierte ich durch den ganzen Saal und fischte nach Komplimenten. Normalerweise wird man in den Spielpausen andauernd gefragt, wie es denn so laufe und auf welchem Rang man sich befinde. Nicht so aber in diesem Fall! Teilweise hob ich sogar mehrmals die Augenbrauen, um die begehrte Frage auszulösen. Fehlanzeige.

Kapitel 6: The Winner takes it all

Nachdem wir die Tabellenführung nach der vierten Partie noch immer inne hatten, ja sogar ausbauen konnten, erlebte ich vor der Schlussrunde ein ganz neues Gefühl. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich beim Jassen plötzlich etwas verlieren! Voller Nervosität begaben wir uns zum letzten Tisch: „Heilige Strohsack, Nina, mir günned das Turnier hüt!“

Und wirklich! Auch in Runde 5 lief alles für uns und es begann ein angespanntes Warten auf die Rangverkündigung. Ich muss zugeben, dass es die erste war, bei welcher ich bis zum Schluss anwesend blieb. Rang 10: nicht wir. Rang 9: nicht wir. Rang 8: Ninas Vater, aber nicht wir. Und so weiter. Dann der Moment, wo wir als bestes Team ausgerufen wurden und unter dem Applaus der ganzen Jass-Schar den Pokal in Empfang nehmen durften! Es war unbeschreiblich, vollkommen surreal! So muss sich ein Jamaikaner fühlen, der im Bobfahren gewinnt.

Kapitel 7: Die Stunden danach

Vollgepumpt mit euphorischen Glückshormonen kopierte ich die Schlussrangliste 14 Mal und legte sie jedem Abteilungsmitglied auf die Tastatur, ein Exemplar klebte ich in den Teamkühlschrank (das Turnier fand an meinem Arbeitsort statt). Zuhause angekommen rannte ich schon fast die Stufen hoch, um meiner Frau unseren unglaublichen Triumph zu verkünden, die ganze Familie schlief jedoch bereits tief und fest. Einzig ein handgeschriebener Zettel lag vor der Türe: „Stell dä Früchtechorb i d’Stube (ha ha) und ab is Bett!“ Pfffffft! Der Pokal und ich, wir übernachteten dann gemeinsam auf dem Sofa…

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

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1 Kommentar zu „Switzerland’s next Göpf Egg“

  1. Hierro sagt:

    Hierro gratuliert ganz herzlich dem neuen Jazzkönig zu einem weiteren Pokal!

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