Montag, 31. Oktober 2011, von staromat

Wenn französische Italienerinnen auf Deutsch anrufen

Seit Jahren träume ich davon, lästige Anrufer auf elegante Art und Weise abzuservieren, statt bloss verärgert den Hörer auf die Gabel zu knallen. Nun ist mir dies zum ersten Mal gelungen! Zwar nicht am Arbeitsplatz, sondern zuhause. Auch da gibt es Anrufer, die nerven können.

Das Telefon klingelte um 19 Uhr. Es war sofort klar, dass es sich um ein Werbegespräch handeln würde. Ausser Marktforschungsinstituten und Telefonverkäufern ruft mich heutzutage niemand mehr an. Die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung klang mit ihrem französischen Akzent jedoch zu charmant, um gleich wieder aufzulegen.

„Guten Abend Mössiö, mein Name ist Chantal. Darf isch Ihnen ein Produkt vorschlagen? Isch arbeite hier in Italien für ein Firma, wo wir sehr viele wunderschöne Dinge exklusiv für Sie herstellen. Es wäre mir ein Ehre, unser Angebot Ihnen vorzustellen.“

„Entschuldigen Sie, Chantal. Jetzt haben Sie mich etwas verwirrt. Sie arbeiten in Italien, haben Sie gesagt?“

„Ja, Mössiö, das ist rischtisch. Wir haben hier ein…“

„Ihr Akzent klingt aber irgendwie nicht allzu italienisch. Er ist eher, sagen wir mal, französisch angehaucht.“

„Wie bitte, Mössiö?“

„Ihr Akzent, Chantal. Sie sind doch Französin, nicht wahr?“

„Das stimmt, Mössiö, das haben Sie sehr gut festgestellt. Isch möschte Ihnen gerne unser Angebot…“

„Was machen Sie denn als Französin in Italien?“

„Was isch hier mache? Isch habe hier ein – wie sagt man? – ein Aufenthalt. Aber isch möschte Ihnen sehr gerne unsere…“

„Sie sprechen ein sehr perfektes Deutsch, Chantal.“

„Sie schmeicheln mir, Mössiö. Das ist sehr nett. Aber mein Deutsch? Es könnte besser sein.“

„Und Italienisch? Sprechen Sie auch Italienisch?“

„Ach, es geht so. Die einfachen Wörter kenne isch. Isch kann etwas im Laden kaufen und so.“

„Das ist gut, Chantal. Etwas im Laden kaufen zu können ist sogar sehr gut. Was kaufen Sie denn so”alles im Laden?“

„Wie bitte?“

„Wo erhält man in Italien denn die besten Baguettes? Es könnte ja sein, dass ich…“

Und dann hatte ich es geschafft! Der grosse Moment war erreicht! Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ein Werbeanruf von der anderen Seite beendet. Schade eigentlich, ich hätte noch so viele Fragen an Chantal gehabt…

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

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