Dienstag, 18. Januar 2011, von staromat

Verzell vom Schaffe, Papi!

Seit meine 3jährige Tochter dahinter gekommen ist, dass ihr Vater bei der Arbeit quasi „Räuber und Poli“ in echt spielt, interessiert sie sich brennend für meine Büro-Erlebnisse. „Verzell vom Schaffe, Papi!“ fordert sie mich jeweils auf und lauscht gebannt meinen Worten.

So darf ich nun allabendlich meinen Arbeitstag als Verwaltungssekretär in der Strafverfolgung in eine ab 3 Jahren freigegebene Version umformulieren. Während das Kopieren und Akten Ordnen wenig Begeisterung auslöst, treffe ich mit der Schilderung von Einvernahmen so gut wie immer ins Schwarze. Böse Männer und Frauen in Papas Büro! Der Abräumer schlechthin!

Vielleicht kurz vorweg: Da meine Tochter schon des Öfteren bei Büro-Apéros mit dabei war, kennt sie meine Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie den Ort des Geschehens äusserst genau. Wie man vom Lift zu meinem Büro kommt, erklärt sie beispielsweise folgendermassen: „Zerscht muess mer ganz wiit laufe und dänn chunnt em Jérôme sis Hüüsli.“

Jérôme, das ist „mein“ Staatsanwalt, aber warum das Hüüsli ihm gehören soll, würde ich doch gerne genauer wissen. Ich „wohne“ schliesslich auch da drin! Ohnehin meinte sie einmal, als ich ihr das Protokollieren erläuterte: „Eigentlich chönnt ja au dä Jérôme töggele und du chönntsch Sache fröge“. Eine Vorstellung, die sie – aus welchen Gründen auch immer – äusserst amüsierte.

Jetzt aber zu den Einvernahmen selbst: Geht es dabei um Diebstahl, falsche Anschuldigung oder Sachbeschädigung, kann ich praktisch alles eins zu eins wiedergeben – Vergehen dieser Art kennt sie aus der Kinderkrippe.

Bei den Nötigungen und Erpressungen muss ich unheimlich aufpassen, dass ich mich nicht selbst in die Nesseln setze. Schliesslich befinden sich in der Erziehungs-Trickkiste des harmoniebedürftigen Familienvaters so manche Schachzüge, welche obige Tatbestände ohne weiteres erfüllen.

Überhaupt nicht nachvollziehen kann meine Tochter Betäubungsmitteldelikte. „Und wärum hät dä Ma öppis welle chaufe, wo nöd guet für ihn isch, Papi?“ In solchen Fällen landen wir rasch bei meiner Gegenfrage „Wämmer wieder emal echli Playmobil spiele, Schätzli?“

Das Nonplusultra sind ausgeartete Nachbarschafts-Streitigkeiten. Wenn Leute sich gegenseitig Steine anwerfen oder im Garten des anderen heimlich Bäume fällen. Solche Sachen liebt sie! Erst recht, wenn sich die Protagonisten bei uns im Büro gegenseitig anschreien. Da will sie dann alles wissen! Und in der Regel zieht sie daraufhin stets das Fazit: „Die Lüüt sind total toco-loco, gäll Papi?“

Wo sie recht hat, hat sie recht, meine Tochter.

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

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1 Kommentar zu „Verzell vom Schaffe, Papi!“

  1. Andrea sagt:

    Eifach nume grossartig :-)

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