Mittwoch, 21. April 2010, von staromat

Hallo worum geht’s ich bin dagegen

Irgendetwas mussten wir nicht zur Zufriedenheit des Volkes erledigt haben. Anders ist die Entladung des kollektiven Ärgers am Bezirksgebäude anlässlich der 1.-Mai-Kundgebung nicht zu erklären. Die Fassade mit roter Farbe überschüttet, viele Fensterscheiben durch Steinwürfe zerschlagen. Dazu wehte vom Feuerwerk ein penetranter 1.-August-Duft durch den Eingangsbereich.

Auffallend war, dass fast ausschliesslich Scheiben im Erdgeschoss zertrümmert wurden. Mangelte es den jungen Rebellen an Muskelkraft oder wurde der Staat konsequent an der Basis angegriffen?

Diese Wut! Diese Gewalt! All die vermummten Gestalten, die sichtbar wütend in den Tele-Züri-Nachrichten auf meinen Arbeitsort eindroschen, das liess mich doch leicht ins Grübeln kommen. Muss ich diesen Angriff persönlich nehmen? Bin ich ein Staats-Instrument? Ein Volksfeind? Arbeite ich für das Kapital?

Ich gebe zu, ich arbeite für Kapital, aber wer im schwarzen Block unentgeltlich malochen geht, der werfe den ersten Stein (ein in diesem Zusammenhang etwas ungeschickt gewählte Redewendung).

Auf der Mauer neben der Eingangstüre stand in grossen Lettern «FREIHEIT FÜR», gefolgt von einem nicht entzifferbaren Namen. Wie soll der Staat jemanden freilassen können, wenn nur schon das Haftentlassungsgesuch undeutlich gesprayt wird?

Randnotiz: Wie sich herausstellte, handelte es sich bei der freizulassenden Person um einen politischen Häftling, für welchen weder die Staatsanwaltschaft noch das Bezirksgericht zuständig war. Gemäss § 194 des Gerichtsverfassungsgesetzes muss eine falsch adressierte Eingabe an die zuständige Stelle weitergeleitet werden. Hätte man also den Sprayer von Amtes wegen zum richtigen Gebäude führen müssen?

Übrigens ist das Bezirksgebäude nicht nur am 1. Mai Angriffen ausgesetzt. Noch im Parterre arbeitend bemerkte ich einst einen Mann, welcher vermutlich aus Ärger über ein erhaltenes Urteil oder auch bloss aufgrund einer sehr schwachen Blase genau unter meinem Fenster ans Gebäude urinierte. Mehr aufgrund des ekligen Anblicks als aus selbstloser Staatstreue öffnete ich das Fenster und forderte ihn auf, dies doch bitte per sofort zu unterlassen.

Unbeeindruckt erwiderte der Mann meinen Blick und zielte höher…

Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.

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1 Kommentar zu „Hallo worum geht’s ich bin dagegen“

  1. Hierro sagt:

    Hierro kaufte vor vielen Jahren ein paar neue Gitarrensaiten in einem Flamenco-Laden an der Kernstrasse im tiefsten Kreis 4. Während er mit dem Geschäftsführer ein paar Worte vor dem Laden wechselte, beobachteten sie wie nebenan die Wand von einem Mann angepisst wurde. Im Sommer stank es bis zum Himmel, genau wie jedes Jahr im August nach Pissparade im Niederdorf. Jedenfalls zuckte der Geschäftsführer seinen Baseball-Schläger und rannte auf den Pisser zu. Scheinbar musste er dies mehrmals täglich tun. Der Mann erschrak dermassen am Riesen-Schläger, dass er seine Wenigkeit einpackte und mit offenem Hosenladen sich winzelnd aus dem Staub machte. Viva la revolucion contra los Pissers! cojones!

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