And the Oscar goes to…
Sollte es je einen Film über meine bewegte Zeit im Vorbüro geben, wüsste ich bereits, wie dieser beginnen würde: Spätabends sitze ich (gespielt von Brad Pitt oder leider wohl doch eher von Philip Seymour Hoffman) noch alleine am Computer und „arbeite“. Plötzlich macht es zack! und alles wird dunkel. Ich muss mich offenbar mehrere Minuten nicht mehr bewegt haben, sodass sich das automatische Licht abgeschaltet hat. Um die Lampen wieder zu aktivieren, winke ich kurz ins Leere und mit der Einblendung „based on a true story“ startet dann der Film.
Ohnehin würde sich das Ganze eher im Genre der Komödie abspielen denn als seriöser Dokumentarfilm durchgehen. So zum Beispiel in der Szene, in welcher mir – frisch bei der Staatsanwaltschaft angestellt – von einem Polizisten am Telefon der Name eines Angeschuldigten durchgegeben wird. Eifrig notiere ich „Martha Ulrich Siegfried Theodor Emil Richard“ und frage dann irritiert nach, ob der Junge wirklich so viele Vornamen habe.
Unterlegt mit einer geheimnisvollen Melodie gäbe es auch eine Einstellung für die Freunde von Horrorfilmen: Ich muss jemandem anrufen und wähle die Nummer. Das Telefon macht keinen Wank und gibt weiter unbeirrt den Summton wieder. Verwirrt lege ich auf und will im Computer die Nummer überprüfen. Dort steht diese bereits im geöffneten Worddokument! Eine Gänsehaut überzieht meine Arme, bis ich realisiere, dass ich die Nummer zuvor auf der Computer- statt auf der Telefontastatur gewählt habe.
Auch kapitalere Fettnäpfchen fänden ihren Platz: Vor einer Einvernahme führe ich die zu befragende Angeschuldigte (attraktiv, Mitte 20ig) ins Staatsanwaltsbüro mit den Worten: „Es chönnt echli länger gah, vo dem her wär’s besser, wenn Sie sich würded uszieh – also dä Mantel mein ich natürlich.“
Nicht fehlen dürfte die legendäre Geschichte, in welcher ich zum ersten Mal in meinem Leben aus einem Restaurant geflogen bin: Zusammen mit zwei Sekretärinnen und einem Staatsanwalt wollen wir in einem Zürcher Restaurant bestellen. Der Staatsanwalt erkundigt sich, ob er denn beim Menü 3 statt Thon Schinken auf der Pizza haben könnte. Die Serviertochter verneint dies, worauf er brav etwas anderes bestellt, sich jedoch den Zusatz „Das letzte Mal ging das aber noch“ nicht verkneifen kann. Sofort bricht sie die Bestellaufnahme ab und lässt uns fragend sitzen. Eine Minute später kommt der Koch an unseren Tisch und wir warten gespannt auf sein Vermittlungsgeschick. Er begrüsst uns kurz auf Italienisch und erkundigt sich dann: „Haben Sie bestellt Schinken statt Thon?“ Der Herr Staatsanwalt bejaht kurz, worauf des Kochs Finger sofort auf die Türe zeigt. „Also, use!“ Konsterniert verlassen wir das Restaurant, welches übrigens den treffenden Namen „Ciao“ trug und heute nicht mehr existiert.
Aus lauter solcher Szenen wäre der gesamte Film zusammengestellt. Ob er das Potential für einen Blockbuster besitzen würde? Ich wage es zu bezweifeln. Mit einem Happy End sollte er jedoch schon versehen sein, schliesslich befinde ich mich noch immer mitten in der Action…
Die Kolumne „Vor dem Büro“ erschien von 2009 bis 2013 in der Letzten Pendenz, dem Mitarbeiter-Magazin der Staatsanwaltschaft Zürich. Staromat schilderte darin die Welt der Justiz aus den Augen einer männlichen Sekretärin.