Honig auf dem Kopf
Sobald Kinder zu sprechen beginnen, entwickeln sie die sensationelle Fähigkeit, selbst komplizierteste Vorgänge in wenigen Worten wunderbar zusammenzufassen (was sich sehr gut trifft, da sie zu Beginn ohnehin maximal drei Wörter aneinanderreihen können). Dadurch entstehen teilweise prächtige Stilblüten, welche ab sofort mit „Kids Talk“ eine eigene Serie auf Logorö erhalten.
Wie gewöhnlich an ihren Krippentagen befand sich Little Miss Staromat heute Morgen bereits fertig abgepackt und abfahrbereit in ihrem Kinderwagen. Da ich selbst noch nicht ganz so weit war, drückte ich ihr zur Überbrückung der Wartezeit den nächstgelegenen, ungefährlichen Gegenstand, eine Postkarte aus Ägypten, in die Hand. Nach einer kurzen Betrachtung faltete sie die Karte in der Mitte, hielt sie sich über den Kopf und sagte freudig: „Honig“.
Honig?
Ich erkundigte mich, was sie damit meinte und erhielt als Antwort eine enthusiastische Wiederholung. „Honig! Honig! Honig!“
Wollte sie ein Honigbrot? Auf dem Kopf? Oder erinnerte sie sich an die Winnie-the-Puh-Geschichte von gestern, wo der Bär mit dem Kopf in den Honig gefallen war? Sämtliches Nachfragen meinerseits wurde mit einem erneuten „Honig!“ abgeschmettert. Gleichzeitig schwenkte sie die gefaltete Karte vor ihrer Stirn hin und her. „Honig! Honig! Honig!“
Ich kam nicht auf des Rätsels Lösung. Erst bei der näheren Betrachtung der Ägyptischen Marke auf der Karte klickte es. Darauf war ein Pharao abgebildet, welcher einen prunkvollen Kopfschmuck trug.
Es war nicht das Wort „Honig“, das Little Miss Staromat begeistert wiederholte – offensichtlich meinte sie „König“.
Auf mein (endliches) „Ach so, König. Du bist ein König“ quietschte sie gleich begeistert drauflos, nicht ohne jedoch mir mit einem kurzen Blick verstehen zu geben: „Mann, Alter, warum dauert das bloss immer so lange bei dir?“