Montag, 10. November 2008, von staromat

„Willst du mit mir njamm njamm?“

Seit mittlerweile 15 Monaten existieren in meiner Welt keine Kühe, keine Schmerzen und auch keine Autos mehr. Ich nenne diese Dinge nur noch Muuuhs, Bobos und Tuut-tuuts. Wenn das so weiter geht, versteht mich bald die eigene Tochter nicht mehr…

Die Degeneration des elterlichen Wortschatzes verläuft entgegengesetzt parallel zur Entwicklung des kindlichen. Das erste Symptom ist das permanente Verwenden der Verkleinerungsform: Büsi, Omeli, Rössli etc. Speziell abstrakt wirkt dies im Zoo, wenn man vor einem 5-Tonnen-Vieh steht und dieses als „Elefäntli“ bezeichnet.

Als nächstes setzt die korrekte Aneinanderreihung der Satzteile aus. „Häsch gseh detä das Zügli?“, „Häsch nöd gern die Rüebli?“ oder „Chum zieh’s Chäppli a. Häsch warm dänn am Chöpfli du.“

Dann kommt die Sache mit den Namen. Dies beginnt relativ harmlos, indem man eines Tages seine Frau aus Versehen mit dem Namen der Tochter anspricht (immer noch besser als mit dem Namen der eigenen Mutter, aber das ist eine andere Geschichte). Etwas später verwendet man den Namen des Kindes erst für alle anderen Kinder und schliesslich konsequent für alle Personen.

Sobald das Kind dann selbst zu sprechen beginnt, ist man komplett verloren. Die ersten gesprochenen Worte (oder Wortteile) werden dermassen oft enthusiastisch von den Eltern wiederholt, dass sich der Nachwuchs wohl wünscht, sie nie ausgesprochen zu haben. Ich frage zum Beispiel meine Tochter nie mehr, ob sie ein „Mandarinli“ möchte (obwohl sie das bestens verstehen würde), nein, ich sage nur noch „Willst du ein Dlinli?“.

Das geht dann soweit, dass man das Kind gar nicht mehr benötigt, um sich kindisch zu verhalten. Im Büro stand ich nun doch schon einige Male kurz davor, KollegInnen zu fragen, ob sie schon zum njamm njamm abgemacht hätten. Oder wenn ich irgendwo einen Hund sehe, denke ich automatisch sofort „lueg emal dä Wau-Wau!“, egal ob ich die Tochter mit dabei habe oder nicht.

Vielleicht liegt genau hier auch der Wau-Wau begraben, weshalb Eltern sich mit kinderlosen Freunden oft nicht mehr wirklich unterhalten können. Es sind nicht die unterschiedlichen Interessen oder dass man mit ihnen den Mein-Kind-kann-schon-Was-kann-deines-bereits-Dialog nicht führen kann. Es ist für uns schlicht und einfach zu anstrengend geworden, uns längere Zeit in einem verständlichen Deutsch ausdrücken zu müssen…

Kinder, Kinder, Kinder!  Patzigste Geschöpfe, die locker und unbeschwert höchste Glücksgefühle und tiefste Wahnsinnszustände auslösen – meist sogar im gleichen Atemzug!

Hier geht’s zu allen Kinderfront-Texten!

2 Kommentare zu „„Willst du mit mir njamm njamm?““

  1. Callas è morta, io vivo sagt:

    Ja, es ist schon bedenklich, wenn Männer beginnen, in Baby-Sprache zu reden. Vielleicht müsste dann Mario Barth schon wieder ein neues Dictionnaire schreiben: Mann-Baby/Baby-Mann. Oder so ähnlich. Mögen uns die Götter davor bewahren. Schlimmer finde ich, wenn zwei männliche Kollegen, die soeben Papis geworden sind, über vollgeschissene Windeln und Familienzusammenführung im Sandkasten reden. Da stehe ich als kinderlose Single-Frau total überflüssig daneben. Und meine Sinnsuche im Leben beginnt von neuem. Kann es das wirklich sein? Sind dies die Themen, die die Welt bewegen? Zumindest scheint es das für sehr viele Mittdreissiger (wie ich eine bin) zu sein. Sollte ich meine hart errungene Überzeugung, dass man auch als kinderlose Single-Frau glücklich sein kann, nochmals überdenken? Zum wieviel tausendsten Mal denn…? Nein. Das lass ich lieber mal bleiben – bis zu meinem nächsten zittrigen Besuch in der Apotheke, auf der Suche nach dem genauesten Schwangerschaftstest…

  2. Hierro sagt:

    Ja du sprichst mir aus der Seele Staromat. Die Kommunikation mit meinem 2-jährigen Sohn ist eine Zeitreise in die ewige Kleinkindersprache. Um sie zu verstehen, muss man die Gestikulierungen des Kindes minutiös analysieren und selber nachplaudern. Was geschieht im Gehirn eines Kindes? Man wird als Papi in eine wundervolle Welt hineinversetzt, in der man leider viel zu schnell wieder herausgerissen wird, sobald dein Kind einen ganzen Satz fehlerfrei formuliert. Man stelle sich diese Sprache einmal in der harten Geschäftswelt vor… Würden wir uns alle nicht menschlicher verhalten und alles aus einem anderen Blickwinkel sehen?

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