Gutsli vs. Darvida! Der Kampf der Tyrannen
Wer ein Kind zu erziehen gedenkt, wird mit einer Fülle von Ratgebern und Erziehungstheorien zugedeckt. Derzeit hoch im Kurs ist die Meinung, dass aus Kindern locker Tyrannen werden, wenn man ihnen zu viel durchlässt, sie mit zu viel Liebe einengt. Allein bei Google liefert die Suche nach den verknüpften Begriffen „Kinder“ und „Tyrannen“ 250’000 Ergebnisse, welche ich allesamt nicht durchgelesen habe.
Heute Morgen, 07.30 Uhr. Little Miss Staromat befand sich bereits in ihrem Kinderwagen festgezurrt und abfahrbereit im Wohnungsflur, während ich noch die letzten Dinge zusammenpackte. Als Proviant für unterwegs wünschte sie sich lautstark ein „Gutsli“, was ich ernährungsbewusst ablehnte, mit dem Hinweis, dass ich als Alternative ein Darvida anzubieten hätte.
Meine Argumente wurden mit einem weiteren „Gutsli!“ schlicht ignoriert. Ich passte mich im Sprachgebrauch an und antwortete ebenfalls wortkarg mit „Darvida“, worauf das nächste „Gutsli“ folgte. Und so weiter und so fort.
Es war eine Art Showdown wie im Wilden Westen. Falls unser Leben je verfilmt werden sollte, so würde an dieser Stelle eine düstere Mundharmonika-Melodie einsetzen und in Zeitlupe und Grossformat würden die Augenpartien meiner Tochter sowie die meinigen abwechselnd eingespielt werden.
Alles um uns herum ging komplett vergessen. Es gab nur noch diesen einen Dialog.
„Gutsli!“
„Darvida!“
„Gutsli!“
„Darvida!“
„Gutsli!“
„Darvida!“
Mittlerweile hatten wir beide grossen Gefallen an unserem fantastischen Gespräch gefunden und wir mussten uns sichtlich Mühe geben, ohne Schmunzeln und möglichst ernsthaft wirkend das jeweilige Wort zu sagen.
Und dann geschah es!
Nach ca. 25 Gutslis respektive Darvidas rutschte Little Miss Staromat (wohl aus Versehen) ein „Vida“ über die Lippen.
Ich ballte die Hand zur Faust und gab ein laut zischendes „Yes!“ von mir. Sollen die doch schreiben, was sie wollen! Kinder und Tyrannen, pfffft! Es braucht bloss ein klein wenig Ausdauer und die kleinen Sprösslinge können wunderbar geformt werden. Erschöpft aber innerlich jauchzend begab ich mich zum Lebensmittelschrank und öffnete ein Päckchen Darvida.
Im Kinderwagen hinter mir flüsterte jemand leise „Gutsli“…