Dienstag, 13. März 2007, von staromat

Willst du mit mir ficken?

Aus den Memoiren eines DJs (1): Nachdem ich kürzlich im Abart quasi meine Platten an den Nagel gehängt habe, wird es Zeit für einen Rückblick. 10 Jahre lang Vollgas als Hitschlampe unterwegs, da kommen doch so einige Anekdoten zusammen! Eröffnen möchte ich die neue Logorö-Serie „Aus den Memoiren eines DJs“ mit einer ziemlich direkt formulierten Offerte eines englischen AuPair-Mädchens, mit welchem ich vor ihrem unmoralischen Angebot noch nie ein Wort gewechselt hatte.

Ich versuche es immer wieder zu verdrängen, aber es führt kein Weg daran vorbei. So richtig begonnen hat meine „öffentliche“ DJ-Karriere in einem Pub namens Nelson. Bevor ich mir dort jeweils den Mittwoch Abend als Staromat-Abend sichern konnte, war ich doch auch hin und wieder am Wochenende im Einsatz. Und da ist im Nelson die Hölle los, das muss man so formulieren.

Neben der Tatsache, dass man die aktuellen Hitparaden-Knaller auf zahlreichen Wunsch der Gäste mindestens jede Stunde wiederholen muss, ist man auch exponiert als Ansprechperson für allerlei kuriose Gäste. Da war zum Beispiel der ca. 35jährige Stammgast, der immer zielstrebig zu mir auf die DJ-Kanzel steuerte und mir jeweils viel zu exakt seine aktuelle medizinische Krankengeschichte protokollierte. Als DJ hat man ja das Problem (oder den Vorteil), dass man jedes Gespräch ca. alle drei Minuten kurz unterbrechen muss, da der nächste Song bereitgelegt (und vorher angehört) werden sollte. Spricht man mit jemandem gerade über das Wetter oder darüber, wie viele Schallplatten wer wo zuhause lagert (so quasi der Schwanzlängenvergleich der DJs), geht das problemlos über die Bühne. Ist man jedoch mitten in der Anhörung einer Operations-Schilderung, wo der Patient unmittelbar vor der Leben oder Tod Schwelle steht, entstehen doch anfänglich einige Skrupel, bis man ein kurzes „Moment bitte“ einschieben und den Kopfhörer schnellstmöglich über die Ohren stülpen kann.

Irgendwann jedoch fiel mir bei obiger Person auf, dass mein Gegenüber mich offenbar gar nicht richtig wahrnahm. Erzählte er doch einfach fleissig weiter, während ich mit angesetzten Kopfhörern und Anastacia in den Ohren meinen Plattenkoffer nach einem passenden Anschlussstück durchwühlte. Als ich die Hörer wieder abnahm, hatte der Patient die Operation bereits überlebt und war mitten in der Beschreibung der Narbenbehandlung. Fantastisch! Meine moralischen Gesprächs-Unterbrechungs-Bedenken sanken bei dieser Person fortan praktisch auf Null, da ich den Kopfhörer zwischendurch gar nicht mehr absetzte. Eine Variante der Kommunikation, welche in meinen restlichen DJ-Jahren doch noch einige Male zum Einsatz kam. Könnte es sein, dass aufgrund solcher Praktiken unseres Berufsstandes das Gerücht aufgekommen ist, DJs seien arrogante Zeitgenossen?

Kommen wir endlich zum vielversprechenden Titel dieses Beitrags, schliesslich dürften ca. 85% der Leser (weibliche Form bewusst nicht integriert) ohnehin bloss aufgrund der „Willst du mit mir ficken?“-Frage im Titel bis hierhin durchgehalten haben.

Das Nelson ist bekannt als Treffpunkt schwedischer, englischer, amerikanischer (etc.) AuPair-Girls. Für eine gewisse Klientel haben diese den Vorteil, dass sie erstens allesamt ca. 17jährig sind und sich zweitens meistens nicht mehr allzu lange im Land (und damit in der eigenen Nähe) aufhalten werden.

Eines Abends kam also ein solches Wesen zu mir ans Mischpult und seuselte ohne irgendwelche überflüssige Anrede: „do you have a girlfriend?“. Seriös wie ich mich als Angestellter eines Musikclubs zu verhalten habe, dachte ich natürlich, dass es sich dabei um den Titel eines von ihr gewünschten Songs handeln würde und ich ihn im allgemeinen (und zur Hauptsache selbst verursachten) Lärm nicht richtig verstanden hätte. Irgendwann begriff ich den Kontext und bejahte ihre Frage nach meinem Girlfriend der Wahrheit entsprechend. Sie kuckte mich mit süssesten Teenie-Augen an (Kopf gesenkt, unschuldiger Blick nach oben, mindestens 100 mal vor dem Spiegel geübt) und flüsterte laut in mein Ohr (die Kopfhörer hatte ich in diesem Fall selbstverständlich nicht im Einsatz), dass das jetzt aber sehr schade sei, weil sie doch schon immer unbedingt einmal mit einem DJ Sex haben wollte.

Ich schluckte kurz und überlegte mir, ob denn dieses Mädchen einfach alle Berufsgattungen durchbegattete und sie nun nach Architekt, Briefträger und Coiffeur bei D wie DJ angelangt war.

Viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht. Denn bereits gab sie mir noch eine zweite Chance (eine solche sollte ja bekanntlich jeder im Leben erhalten). „Do you REALLY have a girlfriend?“ wisperte sie und betonte dabei wunderbar kitschig das R von rrrrrreally.

In meinem Kopf hörte ich Boy George singen „Do you rrrrrrreally want to hurt me“, ihre Nachfrage war jedoch nicht unangebracht. Es wäre ja möglich gewesen, dass ich seit meiner Antwort vor drei Sekunden eine schlimme Trennung inkl. erledigter Schmerzverarbeitungszeit durchgemacht hätte.

Zum Glück für mich (und wahrscheinlich auch für sie) blieb ich standfest und erklärte ihr, dass sich mein Zivilstand unverändert bei glücklich gebunden befände.

Zack – ohne Musikwunsch war das Mädchen weg von der Kanzel. Es gibt ja schliesslich nicht nur einen DJ in Zürich und Zeit ist eine wertvolle Ressource. Ich habe sie danach noch einige Male im Nelson gesehen, die ganze Sache war ihr jedoch weder peinlich noch erinnerte sie sich vermutlich auch nur im Entferntesten daran. Wahrscheinlich war sie auch bereits irgendwo zwischen J wie Jurist und K wie Kammerjäger unterwegs…

Die Serie „Aus den Memoiren eines DJs“ offenbart schockierende, der Öffentlichkeit bisher vorenthaltene Details aus dem Arbeitsalltag eines Plattenlegers. Sämtliche Begebenheiten sind effektiv exakt so erlebt (und mehr oder weniger verarbeitet) worden. Nichts ist Fiktion! Sollte jedoch jemand das Gefühl erhalten, sich in der einen oder anderen erwähnten Person zu erkennen, so weise ich darauf hin, dass alles in dieser Serie natürlich zu 100% erstunken und erlogen ist.

Based on a true Story – Staromat erzählt als offenes Buch Geschehnisse, die sein Leben bewegten. 

Hier geht’s zu allen Erlebnissen!

 

2 Kommentare zu „Willst du mit mir ficken?“

  1. Hierro sagt:

    Deshalb möchte jeder ein DJ sein… Eine sehr pausible Antwort.

  2. Anonym sagt:

    So an alle Drogen Junkies, Dackel Jäger, Disketten Jongleuere, Dauer-Jammerer, Diesel Jockel und natürlich Disk Jockeys…xD:

    DJ UNSER der Du stehst am Mischpult.
    Gesampelt werde Dein Name,
    Dein Beat komme,
    Dein Mixing geschehe.
    Wie im Studio, so auch im Club.
    Unser täglich Techno gib uns heute.
    Und vergib DJ Bobo seinen Dance Floor.
    Wie auch wir vergeben Dir Deine Housebeats.
    Und führe uns nicht zu Scooter, sondern erlöse uns von Blümchen.
    Denn Dein ist der Rhytmus, der Groove Und die Bassline,
    In Ewigkeit…
    Techno

Kommentieren