Die spinnt ja!
Hattest du auch schon dieses seltsame Gefühl, beobachtet zu werden? Neulich sass ich in meinem Wohnzimmer. Weit und breit niemand zu sehen und dennoch spürte ich, dass ich nicht alleine war…
Erst war es nur subtil, wie der feine Wasserdampf, der sich aus einem Kochtopf erhebt. Kaum der Beachtung wert. Etwas später, es hatte sich nichts verändert, schweifte mein Blick durchs Wohnzimmer. In ihm verfing sich etwas Unscharfes. Es schien, mitten im Raum zu schweben! Ein Fleck auf meiner Kontaktlinse konnte es nicht sein, denn ich trag ja keine. Zudem verhielt sich dieses Etwas nicht synchron zu den Bewegungen meiner Augen. In der Tat verharrte es exakt am selben Ort. Langsam fokussierte ich meine Augen auf diesen seltsamen Fleck… und da war sie!
Eine Spinne! Kaum halb so gross wie die Spitze meines kleinen Fingers. Seelenruhig hing sie an einem unsichtbaren Faden von der Zimmerdecke herunter. Herrlich, dachte ich, die macht hier wohl ein Nickerchen? Ich hab das dann mal umgerechnet auf unsere menschlichen Verhältnisse. Das ergibt einen Schlafplatz in der luftigen Höhe von 570 Meter über dem Boden, das ist höher als das ehemalige World Trade Center! Kommt dazu, dass sie nur an einem Faden hängt, der so dünn ist, dass ich ihn kaum sehe. Welch ein Vertrauen muss das Geschöpf in sein Material haben. Und falls ihr Seil wirklich mal reissen sollte: den Sturz aus dieser Höhe wird sie überleben.
Für Spinnen ist das alles völlig normal. Sie kennen keine Höhenangst und fürchten sich auch nicht vor einem Absturz. Kaum auf der Welt, knüpfen sie schon ihre Netze – still, präzis, ohne Bastelanleitung und auch ohne nach dem Sinn zu fragen. Ihr Netz ist ultraleicht, hochelastisch, wasser- und reissfest und zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Die Länge des Fadens für ein ganzes Netz ist enorm. Sie stellt ihn in Massen aus ihren eigenen Körpersäften her. Zudem müssen Spinnen über einen ausgezeichneten Orientierungssinn verfügen. Ich bin beeindruckt von meinem kleinen Besucher. Da fragt sich doch einer, weshalb denn ausgerechnet der Mensch als die Krönung der Schöpfung gilt.
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